Russlands Energieminister: "Kompromiss mit Ukraine möglich"

Russian Minister for Energy Alexander Novak speaks after his meeting with Guenther Oettinger, EU energy commissioner and Ukrainian Minister for Energy Yuri Prodan in Warsaw
Russian Minister for Energy Alexander Novak speaks after his meeting with Guenther Oettinger, EU energy commissioner and Ukrainian Minister for Energy Yuri Prodan in WarsawREUTERS
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Exklusiv. Moskau könnte der Ukraine Zahlungsaufschub für Gasschulden gewähren, wenn Kiew seine finanziellen Quellen offen legt. Auch neue Rabatte wären möglich, sagt Energieminister Alexander Nowak im „Presse"-Interview.

Moskau. Im russisch-ukrainsichen Gaskonflikt geht es ans Eingemachte. Wenn die Ukraine ihre Schulden von 3,5 Mrd. Dollar nicht bis Ende Mai zahlt, wird Russland ab Juni Gas nur noch gegen Vorauszahlung liefern. Die Ukraine, die in den vergangenen Jahren aufgrund eines Rabattes knapp 400 Dollar und im ersten Quartal 2014 aufgrund eines weiteren Rabattes nur 268,5 Dollar pro 1000 Kubikmeter Gas gezahlt hat, verweigert die Zahlung, weil sie den seit April geltenden rabattlosen Preis von 485 Dollar nicht anerkennt. Seit Anfang Mai wird gemeinsam mit Europa verhandelt, um einen Lieferstopp und damit mögliche Engpässe für Europa abzuwenden. „Die Presse" sprach darüber exklusiv mit dem russischen Energieminister Alexander Nowak.

Die Presse: Man hat den Eindruck, dass Ihre Treffen mit EU-Energiekommissar Günther Oettinger und dem ukrainischen Energieminister Juri Prodan sinnlos sind. Am Dienstag hat Gazprom der Ukraine die Rechnung für Juni ausgestellt - heißt, ab sofort gibt es Gaslieferungen nur noch gegen Vorauskasse.

Alexander Nowak: Ich denke nicht, dass die Treffen sinnlos sind. Der Verhandlungsprozess ist in Gang gesetzt. Wir sind unzufrieden, dass nur das Gasthema diskutiert wird, obwohl unser Präsident Putin im Brief, den er im April an 18 europäische Staatschefs geschickt hat, auch die Diskussion über die ukrainische Zahlungsfähigkeit in Zukunft vorgeschlagen hat. Man hat uns bislang nicht einmal informiert, mit welchen Geldquellen die Ukraine ihre Schulden begleichen will. Die Ukraine hat bis 2. Juni Zeit zu zahlen.

Oettinger sagt, dass bis Ende Mai eine Lösung gefunden werden kann. Wie könnte die aussehen?

Eine Kompromisslösung ist möglich, wenn die Ukraine ihre finanziellen Quellen für die Bezahlung der Schulden zeigt und garantiert. Dann können Varianten für einen Aufschub der Zahlungen geprüft werden. Möglicherweise werden auch Vereinbarungen über bestimmte Rabatte unsererseits bei Exportzöllen erreicht. Auch im ersten Quartal haben wir solche Rabatte gewährt.

Also, wenn die Ukraine irgendwelche Schritte zeigt, dann wird auch der Preis diskutiert?

Nicht der vertraglich fixierte Preis, denn der steht bis 2019 fest, sondern die Möglichkeit von Rabatten im Rahmen der Zolltarife.

Der frühere Verzicht auf russische Exportzölle hatte den Preis auf etwa 385 Dollar gesenkt. Wenn Russland - wie Sie andeuten - wieder auf den Exportzoll verzichten könnte, käme man auf diesen Preis?

Eine genaue Höhe kann ich Ihnen nicht nennen. Der Durchschnittspreis im Vorjahr für die Ukraine betrug 382 Dollar. In Europa lag er bei 380 Dollar.

Also hier liegt die Richtlinie für einen Kompromiss?

Ich denke, der Preis soll ein gewöhnlicher Marktpreis sein.

Vor zwei Wochen hat Gazprom plötzlich ein Memorandum unterzeichnet, sodass die geplante Pipeline South Stream nicht nach Italien, sondern nach Wien gehen soll. Und das, obwohl der Haussegen zwischen der EU und Russland schief hängt und die EU russische Pipelineprojekte eher blockiert. Warum jetzt plötzlich dieses Memorandum?

Ich möchte klar machen - dieses Memorandum bedeutet nicht, dass wir Italien aus dem „South Stream" Projekt ausschließen. Wir werden ganz einfach noch einen wichtigen zusätzlichen Teilnehmer haben mit einem der größten europäischen Gashubs in Baumgarten.

Aber warum kam die Entscheidung gerade jetzt?

Gazprom prüfte den effizientesten Routenverlauf. Diese Route war auch früher schon in Betracht gezogen worden. Die Entscheidung ist übrigens nicht endgültig.

Sie wollen für South Stream eine Ausnahme von den EU-Regeln, laut denen Pipelines auch für Drittanbieter geöffnet werden müssen. Was ist, wenn Sie diese Ausnahmegenehmigung nicht bekommen?

Wir denken, dass wir diese Frage einfach lösen müssen, denn diese Regeln widersprechen den bilateralen Zwischenregierungsabkommen, die mit den teilnehmenden Staaten und Russland geschlossen wurden. Es gibt eine internationale Konvention darüber, dass bilaterale Vereinbarungen über der inneren Gesetzgebung stehen. Auch denken wir, dass die Blockade des Projekts den Regeln der WTO widerspricht, weshalb wir an die WTO appelliert haben, die Frage des Investitionsschutzes und des freien Handels zu prüfen.

Man kann es drehen und wenden, wie man will - aber das Verhältnis zwischen der EU und Russland in der Pipelinefrage ist verfahren. Trägt Russland nicht eine Mitschuld daran?

Wir denken, dass wir im Rahmen des Gesetzes und der geschlossenen Vereinbarungen handeln. Natürlich könnte man heute sagen, man hätte sich früher einigen können. Aber ich würde nicht von Fehlern reden. Ein Komplex verschiedener Faktoren - darunter politische - beeinflusst einfach die Entschlussfassung auf beiden Seiten. Gerade heute angesichts der Situation in der Ukraine. Aber ich möchte betonen, dass Europa unser strategischer Partner ist. Wir begrüßen, dass europäische Unternehmen ihre Projekte in Russland realisieren und hier investieren. Auch diese Unternehmen wollen keine Wirtschaftssanktionen.

Kurz zu China: Seit über einem Jahrzehnt verhandelt Gazprom über einen großen Liefervertrag. Es heißt, im Mai wird er unterzeichnet. Ist der Durchbruch geschafft?

Wir denken, es bestehen große Chancen, dass es beim Besuch Putins in China im Mai zur Unterzeichnung kommt. Ein kleiner Punkt ist offen - der Preis.

Das ist er seit Jahren.

Jetzt fliegt Gazpromchef Alexej Miller nach China und nimmt aktiv an den Verhandlungen teil. Man ist heute zu einem hohen Grad bereit, um zu einer endgültigen Vereinbarung zu gelangen.

Seit vier Monaten geht die Ölförderung in Russland zurück, was Analysten als alarmierend bezeichnen. Berechtigt?

Unsere Strategie bis 2030 sieht vor, dass wir das Fördervolumen bei 530 Mio. Tonnen halten. Wir haben die gleiche Situation wie anderswo: es gibt nicht viele neue Lagerstätten, die leicht zugänglich sind. Bei uns geben die alten Lagerstätten immer weniger ab. Für die neuen Lagerstätten in Ostsibirien und in der Arktis braucht es große Investitionen. Im Vorjahr haben wir unsere Gesetzgebung umgestaltet, um die Ausbeutung alter Lagerstätten zu steigern und die Ausbeutung schwer zugänglicher Lagerstätten zu stimulieren. Prognosen sind diesbezüglich schwer, denn die Investitionen hängen auch von der wirtschaftlichen Situation ab.

Zur Person

Alexander Nowak (42), gebürtig aus der Ostukraine, ist seit 2012 Energieminister Russlands. Zuvor war er vier Jahre stellvertretender Finanzminister und gehörte somit zur jungen Schule des – inzwischen allerdings zurück- getretenen – renommierten Finanzministers Alexej Kudrin. Beruflich groß geworden ist Nowak im Metallurgie- sektor in der Nickel-Stadt Norilsk, nördlich des Polarkreises. Von 2002 bis 2008 war er Stellvertretender Gouverneur in Krasnojarsk.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2014)

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